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Richmond Hill

Ein höchst angenehmer Weg führt durch die Gärten von Kew zu den daran stoßenden von Richmond. Viele Gebäude, mit denen auch diese unter der Regierung mehrerer Könige und Königinnen überladen wurden, sind glücklicherweise wie von selbst verschwunden. Auch waren sie wohl nirgends schlechter angebracht als auf diesem zauberisch schönen Flecke, wo die ganze Gegend ringsumher einem großen herrlichen Garten gleicht.

Nur ein Landhaus der Königin, welches diese oft mit ihrer Familie besuchte, steht an einem der freundlichsten Plätzchen des Gartens, einfach und anspruchslos; an einem andere Orte die vom Könige erbaute Sternwarte. Sie soll besonders wegen mehrerer, vom Doktor Herschel verfertigter Instrumente merkwürdig sein. Wir besuchten sie nicht, die Erde erschien uns hier zu schön, um von ihr weg den Blick zum Himmel zu wenden.

Schon von der hübschen steinernen Brücke aus, die nahe vor dem berühmten Hügel von Richmond über die Themse führt, genießt man einer entzückenden Aussicht auf dem Strom, seine mit schönen Villen geschmückten Ufer und den sich sanft zu keiner sehr beträchtlichen Höhe erhebenden grünenden und blühenden Hügel. Weit schöner noch ist es, wenn man diese Anhöhe ersteigt und nun aus dem Fenster des darauf erbauten Gasthofs hinabblickt auf eines der reizendsten Täler der Welt. Größere, ausgebreitetere, romantisch schönere Aussichten gibt es viele, aber keine, welche an Anmut diese überträfe. Ein unaussprechlich süßes Gefühl von Ruhe, stillem Glück, Freude am Leben ergreift jeden mächtig, der von hier aus den Blick herabsenkt. Alles grünt und blüht in der herrlichsten, üppigsten Vegetation. Die höchstmögliche Kultur schmückt das weite, von einem der schönsten Sröme belebte, von sanft anschwellenden, waldgekrönten Hügeln umgebene Tal. Selbst England bietet keine solche zweite Aussicht dar, und außer dieser Insel kann es keine ähnliche geben; wo fände man noch dieses frische Grün in Wiese und Garten, Feld und Wald?

In mannigfaltigen Biegungen und Krümmen durchströmt die Themse dies Paradies. Hier ist sie noch nicht der mächtige Strom, der dort, nahe bei der Hauptstadt, sich prächtig weit ausbreitend, die Schätze aller Weltteile auf seinem Rücken trägt. Nur schiffbar für kleinere Fahrzeuge, gleitet sie durch die friedliche Landschaft, selbst das Bild eines schönen tätigen Lebens in stillem Frieden. Überall trägt sie die klaren Wellen hin, verschönt, erfrischt, tränkt die Umgebungen und wandert dann geräuschlos weiter.

Das üppigste Gedeihen füllt Wald, Höhe und Tal, krönt die Ufer, die schönen Hügel, so weit das Auge nur reicht. Weiße Giebel freundlicher Pächterwohnungen, schöne Fassaden prächtiger mit Säulen geschmückter Villen, Landhäuser, umrankt von Jelängerjelieber, Türme entfernterer Kirchen, stattliche Schlösser, freundliche Dörfer und Städtchen blinken überall hervor aus Bäumen und Gebüsch, in der Höhe und in der Tiefe, in der Nähe und in der Ferne. Wohin das Auge sich wendet, erblickt es freundliche Gegenstände, überall ist Lebensgenuß und Freude, nirgends Geräusch und ängstliches Treiben. Am Ufer des schimmernden Stromes drängt sich alles dies noch freundlicher zusammen und spiegelt sich in den klaren Wellen, damit alles Schöne und Herrliche verdoppelt erscheine. Aus der Ferne schauen die ehrwürdigen grauen Türme von Windsor von ihrem Hügel herüber, unten, mehr in der Nähe, breitet sich stattlich das große königliche Schloß Hampton Court aus; fast ganz im Vordergrunde, nahe an der Themse, liegt das reizende Schloß Strawberry Hill; dicht daran das aus lauter schönen Häusern zusammengesetzte Dorf Twickenham mit seiner hübschen Kirche. Hart am Strome zeichnet sich die elegante, ehemals vom Dichter Pope bewohnte Villa aus.

Es wäre sehr zwecklos, diese wunderbar reizende Gegend umständlich beschreiben zu wollen; nicht einmal der Pinsel, viel weniger die Feder können ihren Zauber wiedergeben. Wer von unseren Lesern vielleicht einst aus dem einen Eckfenster des kleinen Schlosses, auf der Höhe von Dornburg bei Jena, hinab in das stille Saale-Tal, auf die sanft sich hinwindende Saale blickte, der hat einen schwachen Abriß, ein Miniaturbild des Tales von Richmond gesehen. Uns ergriff die Ähnlichkeit dieser Aussicht mit der von Richmond Hill beim ersten Anblick. Nur daß dort alles groß, mannigfaltig ausgebreitet daliegt, was sich hier eng und klein zusammenschmiegt; auch schmücken nicht unzählige Türme und Gebäude das stille, einsame Saaleufer, wie sie dort die Ufer der stolzen Themse krönen.

Aus den Fenstern des auf Richmond Hill erbauten Gasthofs zum "Stern und Strumpfband", Star and Garter, übersieht man all diese Herrlichkeiten mit einem Blick. Nicht nur die einzig schöne Lage, sondern auch die vorzüglich gute Einrichtung und Bedienung erheben diesen Gasthof zu einem der ersten in England.

Ihm gegenüber ist der Eingang zum Park, den man zu den größten rechnet und dessen Umfang acht englische Meilen beträgt. Bescheiden hat die Kunst hier nur für die Bequemlichkeit der Wandelnden gesorgt, ohne sich vorzudrängen. Zahme Hirsche und Rehe weiden hier in großer Anzahl zwischen herrlichen Bäumen. Sie wurden von Hampton Court, wo sie sonst wohnten, hierher gebracht, da der alte König dort selten hinkam. Überall im Park öffnen sich Aussichten auf einzelne Teile der großen Landschaft, die man von Richmonds Hügel erblickt; in anderen Zusammenstellungen,von einem anderen Standpunkte aus gesehen, bilden sie hier neue Ansichten und vervielfältigen den Genuß ins Unendliche.

 

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