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Die Gärten von Kew

Durch den Hyde Park hindurch, vorüber an den schönen Gärten von Kensington, führt der Weg zu diesen, besonders in botanischer Hinsicht mit Recht berühmten königlichen Gärten.

Vier englische Meilen fährt man von Kensington nach Kew zwischen einer seltenen ungebrochenen Reihe eleganter, mit zierlichen Grasplätzen und Gärten eingefaßter Landhäuser. Größtenteils sind diese der Aufenthalt wohlhabender Londoner Familien, deren Häupter in der Stadt ihren Geschäften nachgehen, während Frau und Kinder, fern von der dunstigen Atmosphäre der City, sich hier einer reineren Luft und aller Annehmlichkeiten eines ländlichen Aufenthalts in der schönen Gegend erfreuen. Oft schon erwähnten wir in diese Blättern der unbeschreiblichen Reize, welche Sauberkeit, Geschmack und augenscheinliche Wohlhabenheit diesen halb städtischen, halb ländlichen Wohnungen geben; beinahe ist es unmöglich, nicht immer in neue Lobsprüche auszubrechen, so oft man ihrer gedenkt, und sich dabei des Gefühls von häuslicher Ruhe und behaglichen Wohllebens erinnert, welches ihr bloßer Anblick selbst dem vorübereilenden Wanderer einflößt.

Nur die Gärten sind in Kew merkwürdig; das Haus des Königs ist klein, unbedeutend und dient ihm und seiner Familie bei den nicht seltenen Morgenpromenaden zu diesem Lieblingsorte nur gelegentlich zum Absteigequartier. Es wird nie von der königlichen Familie bewohnt und ist auch auf keine Weise solcher Bewohne würdig. Indessen war man während unseres dortigen Aufenthalts beschäftigt, ein großes massives Gebäude zum künftigen Witwensitz der Königin zu erbauen [Fußnote: Caroline von Braunschweig, Gattin Georgs IV., 1818 hier gestorben.]. Nie sahen wir etwas Ungeschickt-Schwerfälligeres als diese, im seinsollendgotischen, ganz verfehlten Geschmack aufgetürmte Steinmasse. Ungeheuer dicke Mauern, kleine, spaltenähnliche Fenster, dicke, unbeholfene Säulen geben ihr eher das Ansehen eines Staatsgefängnisses als der Wohnung einer Königin.

Die botanischen Gärten von Kew vereinigen eine unzählige Mannigfaltigkeit von Pflanzen aller Weltteile, aller Zonen, und gehören gewiß zu den merkwürdigsten in Europa, wenn sie nicht vielleicht alle übrigen übertreffen. Die überall wehende englische Flagge brachte von den entferntesten Ufern auf diesen kleinen Punkt fast alles zusammen, was nur auf Erden wächst. Von der Zeder des Libanons bis herab zum bescheidenen Heidekraut findet alles hier Pflege, Boden und Klima, wie es sie bedarf, um nicht nur kümmerlich zu vegetieren, sondern üppig zu wachsen, zu grünen und zu blühen. Der König liebte die Botanik, er wandte viel Geld und Mühe auf diese Gärten und freute sich ihres Gedeihens. Der berühmte Weltumsegler Sir Joseph Banks nahm sie unter seine spezielle Aufsicht, und seine, in den entferntesten Weltgegenden mit unsäglicher Mühe und Gefahr erworbenen botanischen Kenntnisse fanden hier ein weites, fruchtbares Feld. Auf diese Weise mußte etwas sehr Vollkommenes entstehen. Das durch die wärmende Seeluft unendlich gemilderte Klima, der natürlich warme Boden Englands tragen das ihrige bei, um der Anstalt das höchste Gedeihen zu geben. Hier, wo der Winter den Wiesen ihren grünen Teppich nie raubt, wo die Herden das ganze Jahr hindurch im Freien ihre Nahrung finden, wird jede aus einem milden Klima hergebrachte Pflanze bald einheimisch. Sehr viele, welche selbst im südlichsten Teile von Deutschland den größten Teil des Jahres im Hause gehalten werden müssen und nur während der Sommermonate dort der Luft ausgesetzt werden dürfen, wachsen hier üppig im Freien, wie in ihrem Vaterlande, zum Beispiel die großblättrige Myrte, der duftende Heliotrop und noch viele mehr.

Es ist eine große Freude, auf den festgewalzten, bequemen Kieswegen dieser Gärten zwischen mannigfaltig geformten Blumenbeeten zu wandeln und sich an dem freundlichen, ewig wechselnden Spiele der Natur mit Farben und Formen zu ergötzen; dann in die großen Treibhäuser zu treten, in jedem derselben eine andere neue Welt zu finden, in dem einen die seltensten Produkte des glühend heißen Afrika, im anderen alles zu bewundern, was im südlichen Amerika wächst; dann wieder sich an den Pflanzen milderer Zonen zu erfreuen, und doch immer das auf einem Punkte vereinigt zu sehen, was zusammengehört und gleichsam ein für sich bestehendes Ganzes ausmacht.

Auch die lebendigen Blumen der Lüfte werden hier gepflegt. Eine große Volière vereinigt eine Menge der schönsten ausländischen Vögel, die darin, wenigstens in scheinbarer Freiheit, ihr lustiges Wesen treiben, als wären sie zu Hause. In einer größeren Abteilung des Gartens werden eine Menge der schönsten Gold- und Silberfasanen gehalten, neben ihnen stolzieren prächtige, zum Teil seltene Pfauen und mehrere andere Arten größerer fremder Vögel. Mitten in dieser Abteilung des Gartens befindet sich ein Teich mit einer Insel, auf welcher ein chinesischer Pavillon erbaut ist. Wasservögel aller Art, mit langen und breiten Schnäbeln, schwimmen auf den silberhellen Wellen, oder wandeln auf langen Stelzbeinen gravitätisch am Ufer. Alles dieses fremde Volk ist froh und lustig, als wäre es im Vaterlande.

Auf einer großen grünen Wiese sahen wir ein anderes lustiges Schauspiel; einige vierzig Känguruhs hüpften darauf in völliger Freiheit umher.

Nichts Lächerliches gibt es in der Natur als diese wunderlichen Tiere. Sie wandeln mit Hilfe ihrer langen Schwänze aufrecht und machen dabei ganz gewaltige Sätze. Die kurzen Vorderbeinchen, die sie zum Gehen gar nicht brauchen können, halten sie auf eine possierliche Art vor der Brust. So aufrecht haben sie wohl Mannshöhe. Neugierig gucken die Jungen aus dem Beutel, in welchem die Mütter sie tragen, in die weite Welt. Macht die Mama einmal zu arge Sprünge, so fällt wohl so ein liebes Kleines aus dem Beutel heraus auf die Erde, wird aber gleich wieder sorgfältig aufgehoben und eingesteckt. Bisweilen erzürnten sich ein paar Männchen und fochten miteinander, indem sie, auf einem Hinterfuße und dem Schwanze stehend, sich mit dem langen scharfen Nagel am anderen Hinterbeine gewaltige Hiebe versetzten. Lange sahen wir dem argen, wilden Treiben dieses närrischen Volkes zu, das uns oft lautes Lachen abnötigte.

Als wir die eigentlichen Lustgärten von Kew zu sehen wünschten, ging unsere alte Not wieder an. Sie wurden nur sonntags gezeigt, und wir waren an einem Wochentage da. Als kein Zureden, kein Bitten, keine Vorstellungen etwas fruchteten, wurden wir verdrießlich und ließen unseren Unmut untereinander in gutem, vernehmlichem Deutsch aus. Zu unserem Glück hörte dies ein in der Nähe arbeitender deutscher Gärtner. Der süße Klang aus dem Vaterlande bewegte sein Herz, und er nahm sich der Landsleute so kräftig an, daß ihm endlich erlaubt wurde, unser Führer zu sein.

Wir fanden die Promenaden sehr angenehm, viel hohe, herrliche Bäume in einzelnen Gruppen; dichte Schattenpartien wechselten mit lichten Gängen zwischen Gras, Blumen und kleinem Gesträuch. Besonders reizend erschien uns ein reich geschmückter Blumengarten mit einem kleinen Wasserbassin, in welchem Goldfischchen spielten. Nur ein wenig zu überladen mit Gebäuden sind diese Gärten. Da gibt's Tempel in Menge, der Bellona, dem Pan, dem Äolus, dem Frieden, der Einsamkeit und wem nicht noch sonst geweiht; da ist ein Haus des Konfuz, eine Wildnis mit einem maurischen Gebäude, eine chinesisch seinsollende Pagode, eine Moschee, römische Ruinen, kurz - viel zu viel für den guten Geschmack. Keines dieser Gebäude ist ausgezeichnet schön, aber auch keines seines Platzes ganz unwert. Man kann sich indessen doch nicht enthalten, manches davon wegzuwünschen; denn dieses bunte Allerlei wird niemandem gefallen, der Gelegenheit hatte, die liebliche Einfachheit der englischen Parks zu bewundern.

 

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