Warten auf den Bus nach Granada

© Willi Schnitzler     

Warten auf den Bus nach Granada - Puente Romano CordobaHabe den Bus nach Granada um glatte sieben Minuten verpasst, weil ich wieder einmal in die falsche Richtung gelaufen bin. Der nächste Bus fährt nun eineinhalb Stunden später um halb Elf. Sitze nun in einer Busstation für überregionale Busse, die erstens schlecht zu finden ist und zweitens aussieht wie ein Gefängnis zur Franco-Zeit, zumindest hat es diesen Charme. Knapp 20 DM kostet das Billette – das kostet in Essen schon eine Taxifahrt innerhalb der Stadt. Durch die Glasscheiben mir gegenüber kann ich die angestrahlte Decke des Hangars sehen. Rechts von mir befindet sich der Schalter, in dem gerade ein Mann und eine Frau mit den Tücken eines Computers beschäftigt sind. Unter den Fenstern breitet sich der Busbahnhofskiosk aus, der nicht nur Zeitungen und Magazine, nein, auch Computersoftware und Videos – in kleiner Menge – offeriert. Es ist Nichtraucherzone, da, wo ich sitze – aber sie rauchen wieder mal alle, und ich bewundere die Firma, die diese Nichtraucherschilder herstellt und sie auch noch verkauft bekommt. Eine blonde Puppe in Begleitung ihrer Matronenmutter wälzt unentwegt ein Kaugummi in ihrem geschminkten Lippenmund. Ein Japaner fährt nach Sevilla. Woher ich das weiß: Er hat es erwähnt, als er mich fragte: „You Sevilla, too!“

Ein Cola- und ein Wasserautomat stehen unbeschäftigt herum. Durch die Tür, gleich neben mir, geht’s in die Cafeteria und jedes Mal, wenn jemand die Tür öffnet, schwappt der Rauch von hundert Packungen Zigaretten heraus. Mittlerweile hat der Japaner zwei hübsche Landsfrauen erblickt und fragt sich gespannt, wohin die wohl wollen. Ein Raum mit einem glaslosen großen Fenster ist von meiner Warte nur unvollständig einsehbar. Was ich sehe: Anderthalb Kalender (Wand), Schriftstücke (Wand), Steckdosen (Wand), eine Waage (Boden). Mittlerweile haben sich zwei Schlangen vor dem Schalter gebildet. Offensichtlich ist heute Japanertag. Vier Ventilatoren hängen an der sauber gestrichenen Decke, haben allerdings ihre Arbeit noch nicht aufgenommen, obwohl alles raucht. Wurden sie jemals eingeschaltet?

Das untätige Warten geht weiter. Eine schlaue Japanerin ist an die Schlange getreten, wo nur noch eine Person steht. Immer mehr Japaner mit schwerem Gepäck treten ein. Und eine ältere Frau im Pelz. Offensichtlich gilt das Nichtraucherzeichen für den Raum mit der Waage. Michael Crichton gibt’s überall. Ein Baby im Kinderwagen wird hereingeschoben. Noch vierzig Minuten. Ein Japaner sieht aus, als hätte er noch nie geschlafen. Das kommt bei seinen Landsfrauen gut an, während das Telefon in dem Raum mit der Waage ungehört bleibt. Die Gesellschaft, mit der ich fahren werde, hört auf den Namen Alsina Graells Sur, S.A. Der Raum füllt sich so langsam. Alles raucht, auch die Japaner. Der Zeitungsverkäufer steht seelenruhig vor einem Heizstrahler und massiert gedankenverloren seine Geheimratsecken. Das Baby wird nun in diese Richtung geschoben. Der Japaner hat endlich den Kontakt hergestellt. Er trägt eine Pudelmütze. Leider fahren die Mädchen in eine andere Stadt, die Enttäuschung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Würde mich nicht wundern, wenn er seine Reiseroute ändern würde. Der Marmor in meinem Rücken ist kalt wie eine Hundeschnauze.

Der Bus nach Sevilla macht sich so langsam bereit, die Hälfte der Japaner verschwindet, auch mein Freund mit der Pudelmütze. Jemand in Blau (Uniform) geht in den Raum mit der Waage und schließt die Tür, die ich eben vergessen hatte zu erwähnen. Alles raucht, auch der Mann in dem Raum mit der Waage – muss also meine Hypothese korrigieren: kein Nichtraucherraum. Es gibt zwei nichtrauchende Personen auf der Station, die Dame in dem warmen Pelz und ich. Das Telefon klingelt nun unentwegt; es ist das öffentliche, das an meiner Wand hängt, das ich auch vergessen hatte zu erwähnen. Na ja, ich habe es gerade eben erst bemerkt. Bin versucht, es abzunehmen, aber was um alles in der Welt soll ich sagen. Ein Busangestellter schmeißt ein zerknülltes Stück Papier Richtung Papierkorb – daneben. Wen stört es! Inmitten des ganzen Rauchs kann ich das Baby kaum noch sehen. Hoffentlich ist das Rauchen im Bus nicht gestattet. Nur noch eine kleine Japanerin ist übrig geblieben, die mit der linken Hand etwas in ihr Tagebuch einträgt. Sie lächelt dabei. Das Telefon klingelt jetzt nur noch zweimal, ehe es wieder klingelt. Noch 20 Minuten. Haus und Garten heißt hier Case y Jardin. Penthouse, Penthouse. Der Bus. Gott sei Dank.

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