Mit der Olivenernte kehrt in Andalusien der Frühling ein

Malaga Panorama© Horst H. Schulz    

Die Skyline der Costa-del-Sol-Metropole Malaga verschwindet so rasch, wie man Höhe gewinnt. Sie macht einer Bergkulisse Platz, die von nun an mehr als 200 Kilometer die Landstraße C 344 durch die Provinz Malaga in die Nachbarprovinz von Cádiz begleitet.

Quer durch Andalusien geht der Weg, schneidet den südlichen Teil der Region von Ost nach West ab, führt vom Mittelmeer zum Atlantik und lässt die Betonküste Südspaniens zurück.

Wer hier eindringt, in die zerklüftete Bergwelt, an deren Hängen weiße Dörfer kleben, muss verschiedene Pässe passieren. Den Puerto de las Abejas, den Bienenpass, den Puerto de las Palomas, den Taubenpass etwa, oder den Puerto del Viento, den Pass des Windes. Nomen est omen, all das gibt es hier – Bienen, Tauben, Winde.

Malaga

Besuch in der Ölmühle

Von Malaga aus muss man zunächst die Sierra de Tolox und die Sierra de Alcaparain, eben den Bienenpass, überqueren. Der liegt gut 800 Meter hoch, wird eingerahmt von fast 2.000 Meter hohen Gipfeln. Doch dies sind die offiziellen Namen, die auf der Michelin-Karte verzeichnet sind, die Einheimischen nennen das Gebiet hier Sierra de las Nieves, die Schneeberge.

Als wir an einem frühen Morgen in den kleinen Ort El Burgo fahren, ist das Plätschern des Rio Turon das einzige Geräusch, das in der Luft liegt.

Männer, von der Sonne aus ihren Häusern gelockt, haben sich auf dem Dorfplatz versammelt. Wir fragen einen alten Mann, wo man Olivenöl kaufen könne, denn jetzt im Februar ist Erntezeit, und überall in den Dörfern wird Öl gepresst.

»Sie haben, Glück«, sagt er, »hier gibt es eine Ölmühle, ich führe Sie hin.«
Wir steigen eine Gasse hinauf. Frauen kommen vom Bäcker, duftendes Brot im Korb.
Unser Führer genießt die Abwechslung in seinem gewohnten Tagesrhythmus. Hin und wieder bleibt er stehen, wenn ein Bekannter vorbeikommt, erzählt, dass er uns die Ölmühle zeigen wolle. Aus der kleinen Markthalle tritt ein weißhaariger Mann, einen prachtvollen Hahn unter seinem Arm.

»Ah, Rafael«, ruft unser Begleiter, »das sind Deutsche, ich zeige ihnen die Ölmühle. Du sprichst doch Deutsch.«
Der Angesprochene lacht und sagt zu uns »Guten Morgen«. Damit hat es sich. Und er erzählt in seiner Sprache von der Zeit in Düsseldorf, ja, in den Sechzigerjahren war das, er hat dort für ein Jahr gearbeitet. »Es gab gutes Geld dort«, meint er und verschwindet mit seinem Braten in einer Tür.

Die Ölmühle sieht wie eine kleine Fabrik aus. Auf dem Hof ist ein riesiger Berg von Oliven angehäuft. Mit prallen Olivensäcken bepackte Mulis stehen an der Waage Schlange. Der Patron ist beim Wiegen, gibt jedem Bauern einen Zettel, auf dem er die abgelieferte Menge notiert hat.

»Ich bin Antonio«, sagt der Patron, »seien Sie meine Gäste.«
In der Mühle riecht es intensiv nach frischem Öl, hundertfach mehr als aus der geöffneten Dose zu Hause. Die Pressen arbeiten hydraulisch, doch die Mühle entstammt einer vergangenen Zeit. Handarbeit ist angesagt. Die gemahlenen Oliven werden zwischen runden Matten geschichtet und in die Presse eingelegt.

Die Öltanks sind unter dem Boden, Antonio schöpft aus einem die grün-trübe, dicke Flüssigkeit und lässt uns das köstliche Olivenöl probieren.

Wir werden der Familie vorgestellt, den Arbeitern und Bauern, die ihre Mulis entladen. Antonios Frau schneidet frisches Brot, röstet es auf dem offenen Feuer an und gießt frisches Öl darauf. Der Patron unterbricht seine Arbeit und erläutert den Herstellungsprozess der Ölgewinnung. Der Mann ist stolz auf sein kleines Unternehmen, und auf meine Frage, ob der kommende gemeinsame Markt Probleme für ihn brächte, antwortet er: »Der gemeinsame Markt hat viele Chancen, auch für uns Kleinbetriebe. Ich sehe nur Vorteile.«

Später dann, in der Bar des Ortes, laden wir unseren »Reiseführer« zum Anis ein. Der Pfarrer des Ortes scheint in der Bar sein Frühstück einzunehmen, Kaffee mit Brandy. Unvermittelt fragt er uns, was wir vom spanischen Stierkampf hielten.

Wir antworten, dass wir das Blut nicht mögen.
»Gut«, sagt er, »aber zu Spanien gehören der Stierkampf und das Blut wie das Bier zu Deutschland.«

Wo die Adler kreisen

Zum Glück gehört mehr zu Spanien als nur der Stierkampf. Zum Beispiel diese freundlichen Menschen in der sonst so abgeschlossenen Bergwelt, Menschen, die leicht zugänglich sind, man zeigt Interesse für ihr Leben. Von El Burgo windet sich die Strecke in die Sierra, und nach wenigen Kilometern ist der Aussichtspunkt der Waldaufsicht erreicht. Von hier kann man aufflammende Waldbrände über Kilometer hinweg sehen, doch für uns ist dies ein Ort, um einen fantastischen Ausblick über schroffe Felsen, ausgedehnte Olivenpflanzungen, Pinienwälder, Hügel und Täler zu genießen. Welch ein Frieden herrscht hier: Nur selten kommt ein Auto die Serpentinen heraufgekrochen und unterbricht das Rauschen der Pinien. Oben über dem Gipfel kreist ein Adler, und unten im Tal sieht man die Menschen bei der Olivenernte, jede einzelne Frucht wird aus dem unter dem Baum ausgelegten Netz herausgesammelt.

Nun geht es über den Puerto del Viento, allerdings ist von scharfen Winden im Moment nichts zu spüren. Knapp 1.200 Meter hoch liegt dieser Pass und nun führt die Straße in langen Windungen nach Ronda hinunter. Die Stadt liegt fast auf der Hälfte dieser Reise und eignet sich schon deshalb für eine längere Pause. Rondas Ruhm geht vom Stierkampf aus. Hier befindet sich die älteste Arena Spaniens, und auch der legendäre Torero Pedro Romero wurde hier geboren. Der Ort hat alles für den Touristen, um sich nach langer Fahrt oder Wanderung durch die Berge zu entspannen: behagliche Hotels, Restaurants und Sehenswürdigkeiten.

Verwinkelte Orte

Von Ronda muss man für 17 Kilometer die C 339 benutzen, um wieder auf die alte Landstraße zu gelangen. Hier herrscht dichter Verkehr, ist doch die C 339 Zubringer von der Küste für die Nationalstraße 342, die Granada mit Jerez verbindet. Dafür durchfährt man eine wunderschöne Bergwelt. Zu Recht ist die C 844 bis zu ihrem Ende in Arcos de la Rontera auf der Landkarte grün ausgezeichnet, als landschaftlich besonders schöne Strecke.
Grazalema ist der nächste Ort, klein und verwinkelt schmiegt er sich in ein Tal des hier noch schmalen Rio Guadalete. Fast unmerklich ist man in der Provinz Cádiz angekommen, die Autokennzeichen verraten es. Grazalema, von den Römern gegründet, war lange Zentrum einer prosperierenden Textilindustrie. Heute hat der Ort nur noch rund 3.000 Bewohner, vor 100 Jahren waren es noch 20.000. Wie viele Städte in der Bergwelt hat auch Grazalema unter der Abwanderung der Jugend zu leiden.

Grazalema ist ein guter Ausgangspunkt für Bergwanderer, es gibt sogar noch einen ganzjährig geöffneten Campingplatz. Andalusien ist hier am höchsten, fast 1.700 Meter steigen die Berge an. Die Unzugänglichkeit der Berge und die angeschlossenen Täler halten den Massentourismus fern, lediglich ein paar stadtmüde Menschen aus Sevilla oder Cádiz haben hier versteckt gelegene Wochenendhäuser. Das Fernbleiben der Menschen hat auch sein Gutes: Fauna und Flora blühen auf, ungestört und vielfältig. Der Wanderer riecht Thymian, Lavendel und Lorbeer. Wildschweine, Hirsche und Bergziegen sind neben unzähligen Vogelarten zu beobachten, in den Wildbächen tummeln sich Forellen. Weiter nach Westen fahrend kommt man nach El Bosque, einem Straßenknotenpunkt malerisch vor der Bergkulisse gelegen. Ab hier treten die Berge zurück, noch dehnen sich die Olivenhaine, und bis Arcos de la Frontera sind es etwas mehr als 30 Kilometer.

Dort beginnt das Andalusien der weiten Getreidefelder, die Erde ist schwarz und rot, vom Meer her kommen schwarze Wolken und werfen wandernde Schatten auf fruchtbares Land. Arcos »de la Frontera«, wie viele Städte in diesem Teil Andalusiens mit dem Zusatz »an der Grenze«, erinnert an die Zeit der maurischen Herrschaft. Weiß gekalkte Häuser, rote Geranien vor den Fenstern und eine schläfrige Kleinstadtidylle – eine Stadt im andalusischen Hinterland.

Nur fünf 25 Kilometer sind es bis Jerez mit den riesigen Weinkellern und den bis zum Morgen mit Leben erfüllten Bodegas, mit städtischer Hektik, Touristenbussen in verstopften Straßen und lärmenden Menschen. Es ist, als komme man aus einer anderen Zeit, wenn man die Sierra hinabsteigt.

 Foto: Malaga Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic

 

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