Papa tu a nuku, die Mutter Erde, und Rangi nui, der Himmelsvater, vereinigten sich – es entstand das Land. Ihre Sprösslinge, die nicht aus Menschengestalt waren, lebten in verzweifelter Dunkelheit, da ihre Eltern aufeinander lagen und kein Licht zwischen sie kam. Es gab zehn Himmel und der unterste von ihnen, der auf der Erde lag, machte sie unfruchtbar. Sie war bedeckt mit Kletterpflanzen und Unkraut und das Meer war dunkles Wasser, schwarz wie die Nacht.

From the first division of time unto the tenth, and to the hundredth and to the thousandth, all was darkness. The black sky lay upon the earth and made her barren, and in vain did she seek her offspring in the likeness of the day, or of the night.

In dieser engen Umarmung existierten die sechs Kinder lange Zeit, sie drängten sich an Papa, suchten Schutz in den Achselhöhlen. Als ihnen jedoch die Möglichkeit genommen wurde, weiter zu wachsen, wollte Tane-mahuta, Vater der Wälder, Bäume und Vögel, Gott der Handwerker, seine Eltern zur endgültigen Trennung zwingen, weil sein Leben unerträglich geworden war. Doch die Kinder waren uneins. Whiro, das Reich des Todes, die Unterwelt, das Böse, wollte den Schutz des Mutterleibes tunlichst nicht verlassen. Und der Gott der Winde und Stürme, Tawhiri-matea, ängstigte sich um sein Königreich der Lüfte, das er nach der gewaltsamen Trennung von Himmel und Erde entschwinden sah. Der Kriegsgott Tumatauenga, der wildeste unter den Brüdern, war naturgemäß bereit und gewillt, seine Eltern zu erschlagen.

„Rangi“, sagte Tane-mahuta, „mag uns ein Fremder werden; aber Papa muss als nährende Mutter bei uns bleiben.“

Und so fassten Tangaroa, Gott des Meeres und Vater der Fische und Reptilien, Rongo-matane, Gott des Friedens und der Feldfrüchte, Haumia-tiketike, Gott der Farnwurzel, und Tane den Entschluss, eine Weltordnung mit dem Himmel über der Erde zu erschaffen. Zunächst scheiterte Tanes Versuch, den Himmel mit seinen Armen anzuheben, bis er die Beine zu Hilfe nahm. Auf dem Rücken liegend, stemmte er den Himmel mit aller Gewalt auseinander, holte die Kinder des Lichts wie Te Ikaroa, die Milchstraße, heraus, setzte sie Rangi an die Brust und schmückte ihn mit der Sonne, dem Mond und den Sternen. Nun gab es Raum, in dem man sich bewegen konnte. Papa zierte er mit Pflanzen und Tieren. Nur der Gott des Windes, Tawhiri, hielt seinem Vater die Treue und nahm für die Freveltat der Trennung bittere Rache an Tane, in dem er dessen Wälder mit Wirbelwinden und Wolken und Blitz und Donner heimsuchte und verwüstete. Er peitschte den entsetzten Tangaroa durch sein aufgeregtes Reich, jagte die Fische des süßen Wassers und das kriechende Gewürm aus dem Meer, um an Land und in dessen Wasserbecken Schutz zu suchen. Das Meer forderte die Flüchtlinge zurück und die Fehde brach zwischen Meer und Land aus. Der Gott des Waldes gab den Menschen Kähne und Netze, um das Meer und des Meeres Kinder zu bezwingen und zu vernichten. Aber das Meer ließ die Kähne kentern, verschlang Küsten und Dörfer, entwurzelte Bäume und riss sie mit Vögeln und allem, was auf ihnen lebte, in seine Wellen.

Doch die gegenseitige Liebe der Eltern blieb trotz der Trennung ewig. Der Vater schaute herab auf die Mutter und sanfte warme Seufzer ihres Busens stiegen empor zu ihm, die von den bewaldeten Berghöhen und den tiefen Tälern sich in den Himmel erhoben; die Menschen nannten dies Nebel. Und der Himmel, wenn er während der langen Nächte über die Trennung von der Geliebten klagte, vergoss Tausende von glänzenden Tränen, die auf ihren Busen fielen; die Menschen, wenn sie dieselben sahen, nannten sie Tautropfen. Tane schuf seine Frau selber, Hine-tu-pari-maunga. Mit ihr zeugte er eine Tochter, Hine-titama, die Maid der Dämmerung, und sorgte damit für Nachwuchs und die Entstehung des Menschengeschlechts auf dieser Welt.

Hinter den Wörtern könnte die Geschichte wahr sein und ich hatte immer schon geahnt, dass die Welt so war.
Die Mythen der Maori waren stark von Göttern, die sie atuas nannten, und Halbgöttern geprägt, sodass den physikalischen Erklärungsversuchen wenig Platz eingeräumt wurde. Neben den drei großen Göttern Polynesiens – Tane (Mann), Tu (Kriegsgott), an dessen Stelle später Oro trat, und Rongo – und den alten Aitu, die gleichfalls weiter verehrt wurden, gab es noch weitere Götter, Göttinnen und vergöttlichte Urahnen: die Vorfahren der großen Häuptlinge, deren Bedeutung allerdings von Insel zu Insel variierte.

Jeder dieser Götter war der Schöpfer oder Vater irgendeines Naturgegenstandes oder einer Naturerscheinung: Tane, der Vater des Tui und der Vögel überhaupt; Ru, der Vater der Seen und Flüsse; Tangaroa, der Vater der Fische; Hina-moki, der Vater der Ratte; Papa, der Vater des Kiwi; Nga-rangi-hore, der Vater der Steine; Mauika, der Vater des Feuers; Rongo, der Vater der Kumara; Tiki, der Vater der Menschen; Maru, der Gott des Krieges; Irawaru, der Vater der Hunde.

Sie lebten in den Wolken, in der Sonne, in den Sternen, in den Meteoren, im blauen Himmel, im Regenbogen, in den Bergen; im Blitz, der die Bäume spaltete; im Licht, das die Nacht aß; in der Nacht, die das Licht verschlang. Das Meer, das unablässig an der Erde nagte, hatte seinen eigenen Gott, wie die Erde, die das Wasser vom Himmel trank, Nebel, Regen, Sommer und Winter, Ost- und Westwind. Köpfe und Namen aus dem polynesischen Pantheon. Ähnlich wie bei Griechen, Römern und Germanen war es zugleich eine Menschengeschichte. Tangaroa, vater- und mutterlos, der zur göttlichen Zentralgestalt werden sollte; Maui, Schöpfer und Erhalter der Inseln, dem Mittelpunkt farbiger Mythen und Volkslegenden, der einst von seiner Mutter als Missgeburt ins Meer geworfen wurde.

Blitz und Donner.
Die Geschichte las sich wie die Fortführung jenes in ganz Polynesien verbreiteten Mythos von den Abenteuern und Schicksalen des Kulturbringers Maui, der die Sonne einfing und den Menschen zeigte, das Feuer zu nutzen.
Maui, Ahnherr und Halbgott, fischte während einer Angeltour mit seinen Brüdern die Nordinsel aus dem Meer, die seitdem Te Ika a Maui, der Fisch des Maui, hieß. Er war nach den Traditionen der Maori ein Held, der große Taten vollbracht hatte, gewissermaßen der Herkules ihrer Mythologie. Maui galt als Lehrer im Kahn- und Häuserbau und als Erfinder der Kunst, aus Flachs Stricke und Schlingen zu drehen; er tötete das Seeungeheuer Tunarua; er hatte Sonne und Mond die Bahnen gewiesen.

Jene maorische Legende stellte die Entstehung der hügeligen Nordinsel dar, auf der teils erloschene, teils tätige Vulkane, heiße Quellen, sprudelnde Geysire und kochende Seen die mystischen Sagen nährten und die mir nun zu Füßen lag:

Maui hatte fünf Brüder. Während diese fleißig Fischfang betrieben, saß er stets faul daheim, sodass Weib und Kinder über ihn klagten. Eines Tages erklärte er, nun wolle er ausziehen und einen Fisch fangen, so groß, dass er in der Sonne faulen solle, ehe seine Brüder ihn aufzehren könnten. Doch die Brüder wollten ihn wegen seiner Zauberkünste nicht in ihrem Kanu mitnehmen. Aus diesem Grunde verwandelte sich Maui in einen Vogel, flog in das Boot, und gab sich erst auf offener See seinen Brüdern zu erkennen. In seinem Besitz befand sich ein kostbarer Angelhaken, den er aus dem toten Kiefer seines Großvaters angefertigt hatte, und verwahrte ihn sorgfältig unter der Matte, auf der er saß.
Nach langer Fahrt holte er die Angel hervor, um sein Vorhaben auszuführen. Doch seine Brüder verweigerten ihm den Köder. Maui wusste sich allerdings zu helfen, in dem er sich ins Gesicht schlug und ein Stückchen Flachs, das vor ihm lag, mit dem Blut seiner tropfenden Nase tränkte. Das sollte der Köder für die Angel sein. Daraufhin warf er sie aus und ließ die Schnur abrollen. Nach kurzer Zeit biss irgendetwas an und zog mit solcher Gewalt, dass das Kanu überholte und in Gefahr geriet, umzuschlagen. Seine Brüder riefen ihm wütend zu:
„Maui, lass los!“
„Was Maui hält, lässt er nicht wieder los!“, entgegnete er.
Die Redensart lautete in der Maori-Sprache: „Ka mauta Maui, ki tona ringa ringa e kore e taia te ruru“ und war zum Sprichwort geworden. Seine Brüder wiederholten:
„Maui, las los, wir werden alle ertrinken!“, aber Maui ließ sich nicht beirren und hielt solange fest, bis er den Fang aus dem Meer zog.
„Ranga whenua“, riefen seine Brüder voller Erstaunen, „der gefangene Fisch ist ein Land.“
Und sie erkannten, dass sein Haken sich am Eingang zu Tonganuis Haus, dem Sohn des Seegottes, verfangen hatte.
Doch sie trauten ihren Augen immer noch nicht. Das Land war glatt und hell und da waren Häuser und brennende Feuer und singende Vögel. Sie hatten noch niemals etwas so Schönes in ihrem Leben gesehen.
Jetzt erst erkannte Maui, was er getan hatte, und sagte:
„Ich muss gehen und Frieden mit den Göttern schließen, denn ich denke, sie sind sehr böse auf mich. Bleibt hier und seid ruhig, bis ich zurückkehre.“
Kaum war Maui gegangen, da fielen auch schon die Brüder über das Land her, um es zu zerschneiden. Daher kamen Berge und Täler und alle Unebenheiten auf dem Lande. Das Kanu jedoch strandete, als das Land in die Höhe kam, und heute noch, erzählten die Eingeborenen, befand es sich auf dem Gipfel des Berges Hikurangi bei Waiapu nahe dem Ostkap der Insel, wo auch Maui begraben lag.

Sonderbarerweise ähnelte die Nordinsel in ihren äußeren Umrissen einem Fisch und die Menschen wussten damals schon, wo die einzelnen Gliedmaße zu finden waren: Der südliche Teil der Insel war der Kopf, die nordwestliche Landzunge der Schwanz; Kap Egmont die Rückenflosse, das Ostkap die Bauchflosse. Wanganui-a-te-ra (Port Nicholson an der Cookstraße), sagten sie, sei das Salzwasserauge des Fisches; Wairarapa (ein Süßwassersee bei Wellington) das Süßwasserauge. Rongorongo (die Nordküste bei Port Nicholson) der Unterkiefer; der tätige Vulkan Tongariro im Zentrum der Insel und der an seinem Fuß liegende Lake Taupo war nach ihren Vorstellungen Magen und Bauch des Fisches.

Heute lieferte eine Landkarte den Beweis für die Fischform, aber lange bevor detailgenaue Karten existierten, wussten die Maori von der genauen Gestalt der Nordinsel Neuseelands.

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